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18.10.2020 : «Shaqiri – Zitronenmöndli – WhatsApp»

Veröffentlicht vor mehr als 3 Jahren, 19. Okt. 2020

Zig-Tausende Schweizer und Schweizerinnen haben offenbar sehnsüchtig auf die Nachricht gewartet, ob Xherdan Shaqiri zum Länderspiel gegen Spanien am 10.10.2020 antreten kann oder nicht. Am Samstag davor sendete das Radio endlich die erlösende Botschaft in den Hauptnachrichten. Shaqiri kann spielen – Gott sei Dank! Genützt hat es nichts.

Mir ist das so lang wie breit. Ich warte vielmehr darauf, bis es Mitte November in der Konditorei ganz in meiner Nähe, endlich wieder «Zitronenmöndli» gibt. Der erste Bissen ist ein Genuss. Und an diesem Beispiel können wir wieder einmal sehen, wie unterschiedlich, ja wie «verrückt» die Menschen sind: Der eine wartet auf Shaqiri, der andere auf Zitronenmöndli.

Eine Menge Zeit unseres Lebens verbringen wir mit Warten. Es gibt Philosophen, Schriftsteller, ja sogar Physiker, die sagen: Leben ist Warten, und zwar letztlich auf den Tod. Bis dahin vertreiben sich die Menschen die Zeit mit allen möglichen sinnvollen oder weniger sinnvollen Tätigkeiten, nicht in Erwartung des Todes – davon will man möglichst nichts wissen – sondern in Erwartung bestimmter Ziele, die zu erreichen man für erstrebenswert hält: Die Kinder warten darauf, endlich auch zu den «Grossen» zu gehören. Die Jugendlichen warten darauf, endlich selber über ihr Leben bestimmen zu können. Alle warten auf die «grosse Liebe». Dann, sofern man Glück hat, warten die jungen Frauen darauf, Mutter zu werden. Die jungen Männer warten darauf, Vater zu werden. Beide warten ausserdem darauf, nebenher noch Karriere zu machen – oder umgekehrt. Ein paar Jahre später warten die Väter darauf, Grossvater zu werden, und die Mütter warten darauf, Grossmutter zu werden, um dann – anstatt sich selbst – ihr Enkelkind als Profilbild auf WhatsApp zu posten. Und so warten wir darauf, dass sich möglichst vieles von dem, worauf wir warten, wonach wir uns sehnen, erfüllt. Das Leben ist Warten!

Solange wir leben, hört das Warten nicht auf. Erst im Tod hat alles Warten ein Ende. Insofern ist der Tod eigentlich die Erlösung. Die Frage ist nur, was kommt danach? Kommt da überhaupt etwas? Wenn nicht, hat sich tatsächlich alles Warten erübrigt und alles Grübeln erledigt, und man hat seine Ruhe – auch wenn man sie nicht mehr geniessen kann, oder sie gar nicht haben will! Wenn da aber noch etwas kommen sollte, was könnte das sein? Wer sagt denn, dass es der «Himmel» ist?! Wir können kaum erahnen, was es für Möglichkeiten gibt! Es verhält sich so ähnlich, wie mit unserem Universum. Nur 5% davon ist uns bekannt – wohlgemerkt, von unserem Universum! Wie viele Universen es gibt, weiss kein Mensch. Geht es also weiter mit der Warterei? Nun, das Warten hat eine Schwester, und die heisst: Hoffnung. Für mich ist es die Hoffnung, die ich immer wieder predige, dass am Ende alles gut wird. Wenn es also nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende. Insofern könnte die Warterei weitergehen. Und so warten wir weiter, Hand in Hand mit der Hoffnung, dass am Ende alles gut wird …

(Franz Sabo)