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Allerheiligen (1. November 2022)

Veröffentlicht vor mehr als einem Jahr, 07. Nov. 2022

Als ich im Sommer in den Ferien in einem Dorf in Österreich eine Trauerfeier hielt, kamen hinterher einige auf mich zu und baten mich, hier zu bleiben. Ich könne in einem schönen, neu renovierten alten Pfarrhaus wohnen und alle würden mich nach Kräften unterstützen.

Wer würde sich da nicht geschmeichelt fühlen! Ich bedankte mich brav und sagte, dass ich für einen solchen Wechsel jetzt zu alt bin. Was ich nicht sagte, aber dachte, war folgendes: Ach ja, das war vor über 20 Jahren in Röschenz auch so. Unsere Kirche war am Sonntag fast voll. Kaum ein GD im Jahr war so gut besucht wie jener an Allerheiligen. Selbst am Donnerstag nahmen damals häufig gegen 40 Personen an der Messe teil. Vor einiger Zeit hatten wir einen Donnerstags-Gottesdienst mit 8 Personen, davon waren die Hälfte aus Kleinlützel. Das sagt eigentlich alles.

Ich bin sicher nicht der beste Pfarrer, aber bestimmt auch nicht der schlechteste. Insofern glaube ich nicht, dass es «nur» vom Pfarrer abhängt. Beim grössten Teil der Bevölkerung liegt schlicht und einfach kein kirchlich-religiöses Bedürfnis mehr vor. Was hier geschieht, sagt den Leuten nichts mehr. Viele unserer Alten würden gerne kommen, aber aus gesundheitlichen Gründen geht’s halt nicht mehr. Dafür war der Saal im Seniorenheim beim letzten GD gleichsam bis auf den letzten Platz gefüllt. Und natürlich gibt es noch ein paar «katholischere» Gegenden als hier, sowohl in Österreich wie in Bayern und selbst in der Schweiz. Doch auch diese Orte werden immer weniger.

Röschenz hat sich lange ganz gut gehalten. Doch jetzt zeigt sich, dass die Zahl der konfessionslosen, a-religiösen und kirchenfernen Menschen rapide gestiegen ist. Wir merken das nicht nur an der Zahl der Kirchenbesucher, sondern vor allem auch an der Zahl der Erstkommunikanten.

Wir verfügen über ein gutes Team und es existiert noch ein kleiner «harter Kern». Noch können wir vielleicht ein paar Jahre durchhalten, bis auch hier die Lichter ausgehen. Und da bin ich schon wieder an dem Punkt angelangt, an dem ich mich selbst ermahnen muss, positiv zu predigen, und die Anzahl unserer Ministranten nicht zu vergessen. Einige von ihnen werden von dem, was sie hier erfahren, etwas mitnehmen, das Früchte trägt – davon bin ich überzeugt.

Insofern bin ich zwar schon etwas traurig und enttäuscht, aber nicht verbittert. Ich bin Realist. Es ist wie im Leben. Irgendwann ist Schluss. Doch bis dahin ist Leben angesagt – Leben! Nicht an «Leben» geizen, nicht an «Leben» sparen, sondern es ausgeben! «Carpe diem»! Deshalb ist ja ein geiziger Mensch so zu bedauern. Denn schlimmer als der Geiz gegenüber anderen, ist der Geiz gegenüber sich selbst. Was ist das für ein Leben, wenn man sich selbst nichts gönnt! «Carpe diem», den Tag nutzen, das Schöne geniessen, sich freuen und lachen können, so lang und so gut es eben geht, denn das andere, das, was uns runterzieht, das kommt sowieso, genauso wie der Tod.

Und wenn er dann kommt, dann gehen wir eben – es bleibt uns eh nichts anderes übrig. Es gibt keinen Ausweg.