Anna-Tag (26. Juli 2024)
Veröffentlicht vor 4 Monaten, 31. Jul. 2024
Sie kennen sicher alle den Spruch, «man lernt nie aus». Er zählt vermutlich zu den so genannten «Binsenweisheiten» oder «Binsenwahrheiten». Also Wahrheiten, die so klar und wahr sind, bzw. so selbstverständlich, dass man erst gar nicht darüber reden muss.
Aber was ist schon selbstverständlich? Dass wir ein Dach über dem Kopf haben, genügend Geld (die meisten mehr als genügend), dass wir so alt geworden sind, weitgehend gesund, dass aus den Kindern etwas geworden ist, wir hier in Frieden und Wohlstand leben können, bislang von Katastrophen verschont geblieben sind, Menschen hatten oder haben, mit denen wir in Liebe verbunden sind und bleiben … Nichts davon ist selbstverständlich! Das sollte einem vielleicht ab und zu mal bewusst werden! Nichts von dem, was wir sind und nichts von dem, was wir haben ist selbstverständlich.
Und genau das habe ich vor ein paar Wochen auf ganz besondere, für mich einzigartige Weise erlebt. «Man lernt nie aus»! Ich habe eine Lebenserfahrung gemacht, die bei mir etwas bewegt und verändert hat. Eine Erfahrung, welche die meisten von Ihnen mir voraus haben und vielleicht sogar als selbstverständlich ansehen.
Mein Göttimaidli hat ein Buschi bekommen. Sie wissen ja, ich wollte nie eigene Kinder haben. Nach meinem Verständnis gibt’s ohnehin viel zu viele auf der Welt und den allermeisten von ihnen geht es schlecht. Sie tun mir leid. Aber ok, ich mag Rachele und ihren Mann sehr, habe sie auch getraut, sie kennen meine Einstellung und mögen mich trotzdem. Also bin ich ins Tessin gefahren mit einer Flasche Champagner im Gepäck, um auf den Nachwuchs und die letztlich gut gelaufene Geburt anzustossen.
Die Begrüssung war sehr herzlich und ich konnte gerade noch eine Peinlichkeit vermeiden, indem ich rechtzeitig gecheckt habe, dass es sich bei dem Namen «Naele» nicht um ein Mädchen handelt – wie ich zunächst angenommen habe – sondern um einen Buben (Gott sei Dank habe ich vorher die Enkeltochter von Boba getauft, welche «Nele» heisst). Aber da sich heute gendermässig sowieso einiges vermischt mit alledem, was es zwischen Mann und Frau gibt, hält sich die Peinlichkeit in Grenzen. Nebenbei: ich habe da gar keine Probleme, und ich finde den Nemo extrem sympathisch. Man muss ja kleidungsmässig nicht den gleichen Geschmack haben, um sich sympathisch zu finden!
Aber zurück zu meiner eigentlichen Lern- und Lebenserfahrung: Die Oma von Naele und ich, wir waren schon am Aufbrechen, als mir Rachele plötzlich und unerwartet den 5 Tage alten Naele in die Arme legte. O je, was soll ich mit dem jetzt anfangen? Gut, dass ich ein kleines Bäuchlein habe, denn da lag er ganz gut drauf, und zwar eine Stunde! Eine geschlagene Stunde! Und diese Stunde war für mich …, ja, einzigartig. Schon allein die winzigen Fingernägel! Wie eingangs schon erwähnt, den meisten von Ihnen ist diese Erfahrung, dieses Glücksgefühl nicht unbekannt. Es ist eben alles andere als selbstverständlich, das vielleicht grösste Wunder des Lebens in seinen Armen zu halten.
Pfr. Franz Sabo