Jahresschluss-Predigt (29.12.2024)
Veröffentlicht vor einem Monat, 07. Jan. 2025
Vor dem Wiener Zentralfriedhof gibt es einen Imbissstand, genauer, einen Würstelstand, und der heisst: «eh scho wuascht».
Ich stelle mir vor, dass die Leute gerade eben einen ihnen nahestehenden Menschen zu Grabe getragen haben, dann kommen sie an diesem Würstelstand vorbei und lesen: «s`is eh scho wuascht!» Das ist Wiener Humor, der dem klassischen schwarzen Humor der Engländer in nichts nachsteht. Man mag das pietätlos finden, deplatziert, vielleicht sogar unanständig, dennoch trifft dieser Würstelstand mit seinem Namen genau ins Schwarze.
Die Welt befindet sich in einem derart beschissenen Zustand, da kann unserer Psyche manchmal ein bisschen Humor helfen, auch wenn er noch so schwarz ist.
Mit zunehmendem Alter nimmt auch meine Überzeugung zu, dass es eh schon wuascht is. Ich kann mir diese Haltung leisten. Erstens bin ich über 70, und zweitens habe ich keine Kinder. Jene mit Kindern und Enkeln sehen die Sache meist nicht so locker.
Etwas positiver und weniger gleichgültig erscheint mir jene Einstellung, die da lautet: «Es kommt, wie es kommt …» Nur, ganz unbeteiligt sind wir daran nicht! Deshalb:
“Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ (Reinhold Niebuhr, amerik. Theologe)
Zum Beispiel: Dass die Welt untergeht, der Mensch von diesem Planeten verschwindet, das kann niemand verhindern, weder mit Tempo 30 noch mit E-Autos und erst recht nicht, indem man sich auf Strassen und Landebahnen festklebt. Dazu kommt, dass sich 90% der Weltbevölkerung nicht darum schert. Ein Fluss in Guatemala ist schon lange keine Fluss mehr, der Wasser führt, sondern nur noch Müll.
Einfluss nehmen können wir zwar auf das Wie und Wann die Welt untergeht, wieviel das allerdings bringt, das ist wiederum eine andere Frage. Dazu braucht es vielleicht nicht nur gesunden Menschenverstand, sondern tatsächlich ein bisschen Weisheit. In Thailand hat man für die Tsunami-Opfer Millionen in eine Häusersiedlung investiert. Alle Häuser stehen leer und zerfallen, weil die Leute dort nicht leben wollen.
Solange die Menschheit am Leben ist, stirbt auch die Dummheit nicht aus. Solange wir leben, tun wir das Unsere, obwohl wir wissen, dass wir sterben. Wenn die Uhr zwölf geschlagen hat und wir am Ende unseres Lebens angelangt sind, wenn wir das Unsere getan haben, und wir die Welt nicht mehr verändern können, dann ist die Stunde des Würstelstandes am Wiener Zentralfriedhof gekommen. Ade, du schnöde Welt, s`is eh scho wuascht …
Pfr. Franz Sabo