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«Loslassen» (5. November 2023)

Veröffentlicht vor 6 Monaten, 06. Nov. 2023

„Alle haben den gleichen Eingang zum Leben, gleich ist auch der Ausgang“, heißt es im Buch der Weisheit. Beides, der Eingang ins Leben, wie der Ausgang vollziehen sich nicht ohne Mühen. Zuerst – so könnte man meinen – wollen wir nicht in dieses Leben, und zuletzt wollen wir nicht aus diesem Leben. Es geht um das berühmt-berüchtigte “Loslassen“, von dem wir alle schon gehört haben, aber nicht wirklich wissen, wie sich das anfühlt, weil wir ja alle noch da sind. Dieses “letzte“ Loslassen fällt den meisten Menschen dann halt doch schwer. Obwohl wir schon viel davon gehört haben, und obwohl fast alles dafürspricht, es zu tun! Denn:
• Wir müssen sowieso gehen – alle!
• Was also soll dann die Quälerei!

Darin sehe ich eine meiner Aufgaben bei der Sterbebegleitung: dem Sterbenden zu helfen, an diesen Punkt, zu dieser Einsicht zu gelangen: Stimmt, was soll jetzt noch die ganze Quälerei!

Das Loslassen ist ein Prozess, und der beginnt nicht erst zwei Wochen oder zwei Tage vor dem Tod, sondern schon jetzt – immer “jetzt“! Natürlich hören alle, was ich sage. Nur – bei den einen geht es da rein und dort gleich wieder raus. Falscher Ort, falsche Zeit. Das ist kein Vorwurf! Das ist einfach so.

Was hält uns am Leben? Was hindert uns daran, loszulassen?

  1. Wir selbst:
    Dazu gehören vor allem unsere Ängste vor dem, was da kommen könnte, bzw. nicht kommt! Die Trennung vom langjährigen Partner fällt schwer, die Kinder, die Enkel, das vertraute Heim, den Garten müssen wir zurücklassen und uns auf eine Reise ins Unbekannte begeben. Wie damals, als wir hierhergekommen sind – mühevoll! „Alle haben den gleichen Eingang zum Leben, gleich ist auch der Ausgang.“

  2. Eine andere Macht: das Leben, die Natur (Selbsterhaltungstrieb), Gott …
    Es sind ohnehin andere Mächte, die uns das Leben beschert haben und uns am Leben halten. Wenn wir also am Ende noch ein paar Runden drehen müssen, dann vielleicht deshalb, weil wir noch etwas zu erledigen und/oder zu lernen haben. Da “muss“ man dann durch.

Deshalb, weil zumeist eben nicht nur der Eingang, sondern auch der Ausgang mühevoll ist, finde zumindest ich ein bisschen Trost in diesem Gedanken: Der oder die Verstorbene hat das, was wir noch vor uns haben, hinter sich!