«Respekt» (23. Juni 2024)
Veröffentlicht vor 5 Monaten, 24. Jun. 2024
“Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“
Liebe Zuhörer, wer kann so lieben, wie Gott? Ich glaube, da sind wir alle überfordert. Ich denke, wir sollten uns vielmehr auf das konzentrieren, was wir können, was uns möglich ist, und das ist meiner Ansicht nach Respekt zeigen. Respekt vor dem Anderen und dem Anderen. Also grundsätzlich Respekt zeigen gegenüber jeden anderen Menschen und dessen Andersartigkeit, einschliesslich anderer Meinungen und Überzeugungen. Doch bereits in meiner letzten Predigt habe ich darauf hingewiesen, dass offenbar nicht der Respekt, sondern die Respektlosigkeit immer mehr um sich greift.
Wenn Sie in Basel den Schalter der UBS besuchen wollen, stehen Sie in der Regel in der Schlange. Mit wessen Geld wurde die UBS gerettet? Sie dankt es ihren Kunden, indem diese völlig unverhältnismässig lange Wartezeiten auf sich nehmen müssen. Das ist eine Unverschämtheit und eine Respektlosigkeit der Bank gegenüber ihren Kunden, insbesondere gegenüber den älteren und alten Leuten.
Am 23. Februar feierte ich mit den Bewohnern des Seniorenzentrums Rosengarten Gottesdienst, wie ich das schon seit 25 Jahren ein paar Mal im Jahr tue. Zwei junge Männer, so genannte Betreuer, störten den GD massiv, und zeigten auch keinerlei Einsicht, nachdem ich sie daraufhin angesprochen habe. Ich habe die jungen Herren darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Verhalten nicht nur eine Respektlosigkeit mir, sondern vor allem den alten Leuten gegenüber ist. Als Reaktion erfolgte ein Achselzucken. Von einer Entschuldigung keine Rede. Ich war drauf und dran, meinen Dienst im Seniorenzentrum ganz aufzugeben. Es ist schlicht und einfach so, dass ich mir mit meinen 70 Jahren eine solche Respektlosigkeit während der Ausübung meines Berufes nicht mehr gefallen lassen muss. Aus Rücksicht den Bewohnern gegenüber und nach einem Gespräch mit der Heimleitung habe ich mich entschieden, vorerst weiterzumachen, sofern eine solche Entgleisung nicht nochmal passiert.
Wir hören immer wieder, dass es einen grossen Mangel an Pflegepersonal gibt. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Es fehlt nicht nur an Pflegepersonal, es fehlt vor allem an gutem Pflegepersonal! Worauf kommt es bei einem «guten» Pflegepersonal an? Auf die Ausbildung? Eine Grundausbildung ist sicher wichtig. Aber nach meiner Erfahrung ist etwas anderes viel wichtiger, und zwar nicht nur in Altersheimen, Spitälern, Banken, Schulen, Behörden oder Kirche, und das ist der Charakter.
Ein fünfköpfiges Pflegeteam mit Charakter leistet mehr als ein zehnköpfiges Team, unter denen einige die halbe Zeit auf dem Klo, beim Rauchen, chatten oder mit sonstigen Nebenbeschäftigungen verbringen. Jene mit Charakter müssen die Arbeit auch jener ohne Charakter erledigen, und das tut weder dem Teamgeist noch den Pflegebedürftigen gut.
Pfr. Franz Sabo