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«S.O.S.» – save our souls

Die psychiatrischen Kliniken senden «S.O.S». Bern hat 2021 im Vergleich zum Vorjahr über 50% mehr suizidale Minderjährige auf der Notfallstation betreut. Auch die Psychiatrische Uniklinik Zürich spricht von einem Notstand, der immer noch anhalte. Diese Entwicklung ist keineswegs nur Corona geschuldet, sondern zeigt sich seit 10 Jahren. Im letzten Jahr meldet allein Zürich über 270 Selbstmordversuche bei Minderjährigen!

Als ein Hauptgrund wird der Leistungsdruck bei Kindern und Jugendlichen genannt. Eigentlich sollte den Erwachsenen klar sein, dass weder unser Wissen noch die Digitalisierung glücklich machen. Sie spielen eine wichtige Rolle, aber keineswegs die wichtigste. Es geht noch um etwas anderes, welches ausschlaggebend ist, ob wir uns wohl fühlen in unserer Haut. Es braucht ein Gegenstück zur Digitalisierung und zum Leistungsdruck, und das heisst «Psychohygiene». Anders ausgedrückt: die Pflege unserer Seele. Nicht nur immer mehr Erwachsene, sondern leider auch immer mehr Kinder und Jugendliche verarmen religiös, spirituell und seelisch.

Ich habe schon ein paar Mal darauf hingewiesen, dass Kinder ausserordentlich religiös sind, auch die meisten Jugendlichen. Sie beschäftigen sich schon früh mit den zeitlosen und existentiellen Fragen der Menschheit: Wo komme ich her? Warum bin ich hier? Wo gehe ich hin? Warum muss ich sterben? Was passiert im Tod und was kommt danach? Gibt es einen Gott? Gibt es das Nichts? Gibt es noch andere Welten? Diese Fragen beschäftigen die jungen Leute. Die Frage ist nur, wer beschäftigt sich mit den jungen Leuten, und wer geht auf ihre Situation und auf ihre Fragen ein?

  • Die Eltern? Sie sind bei diesen Fragen meist selbst überfordert und hilflos.
  • Die Schule? Das könne sie nicht leisten und es sei auch nicht ihre Aufgabe, heisst es.
  • Die Politiker? Sie sind mit sich selbst beschäftigt.
  • Die Medien? Sie legen den Finger in die Wunden, können sie aber nicht heilen.
  • Die Kirche? Wer traut ihr noch? Selbst ein Papst (Benedikt XVI.) muss letztlich zugeben, gelogen zu haben. Die Kirchenaustritte steigen und steigen …

Und was passiert mit den Kindern und Jugendlichen? Ich kann mich nur wiederholen: sie verarmen immer mehr religiös, spirituell, seelisch. Die Kliniken senden «SOS», «save our souls», «rettet unsere Seelen»!

Für viele ist das Leben «nur» ein Event. Aber das Leben ist mehr als das. Und wenn Kinder und Jugendliche das nicht vermittelt bekommen, nicht spüren, dass das Leben mehr ist als ein «Event», dass es noch eine andere Welt als die digitale gibt, dann verarmen und vereinsamen sie, und die Selbstmordversuche werden weiter zunehmen.

Pfr. Franz Sabo

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