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Weihnachten 2024

Veröffentlicht vor einem Monat, 26. Dez. 2024

Weihnachten – das Friedensfest! Unter anderem deshalb, so heisst es, ist Gott Mensch geworden, für den Frieden unter den Menschen. Hat nicht funktioniert – ausgenommen in Röschenz! Gott müsste doch eigentlich gewusst haben, dass die Sache mit dem Frieden unter den Menschen nicht funktioniert! Nun, die Sache ist komplex, sehr komplex …

Jedenfalls bete ich in jedem GD vor dem Friedensgruss: “Hilf uns, dass wir uns nicht anstecken lassen vom Unfrieden in der Welt, sondern stärke mit deiner Liebe das Gute, das in jedem Menschen ist.“ Ist das so? Ist das Gute in jedem Menschen?

Letzten Sonntag, am 4. Advent, habe ich über die kleinen Kinder gesprochen. Wenn ich sie taufe, sind sie gerade mal ein paar Wochen, Monate alt, und schon merkt man, dass sie Charakter haben. Die ersten Wesenszüge sind erkennbar. Sie besitzen bereits eine Individualität, und sie unterscheiden sich von anderen Gleichaltrigen. Wie geht das? Woher kommt das? Wir sind berührt von so einem kleinen Kind und erstaunt, wie schnell es lernt und zu einer kleinen Persönlichkeit heranwächst. Es ist nicht nur wunderbar, es ist ein Wunder!

Haben Sie schon jemals bei einem so kleinen Kind etwas Böses entdeckt? Da ist nichts. Da ist nichts Böses – weder zu spüren noch zu sehen. Nichts davon! Und doch, irgendwann schlägt es zu, packt es jeden, früher oder später, mehr oder weniger. Ist das Böse von Anfang da, bloss verborgen. Zeigt es sich erst, wenn es sozusagen «erweckt» wird?

Wie auch immer, in den ersten Monaten, vielleicht sogar ein Jahr lang oder noch länger, kennen wir Menschen das Böse nicht, sofern uns in dieser Zeit nichts Böses angetan wird! Am Anfang unseres Lebens sind wir heil, geradezu heil-ig und gut. Wir tun nichts Böses. Ich bin überzeugt, dass dieses Gute des Anfangs in uns bleibt bis zum Ende. Genau wie unser Blut, wie unsere Gene, wie unsere Seele. Die Frage ist nur, was machen wir damit?

Wir Menschen können das Gute in eine Ecke stellen, vor die Tür setzen, ausblenden oder auch tief in uns vergraben. Wir können es irgendwie vergessen und vermeintlich auch verlieren, so wie wir verschiedene Geschehnisse und Erlebnisse im Laufe unseres Lebens vergessen, verlieren. Aber sie sind eben nicht “verloren“, sie sind nicht verschwunden! Mit zunehmendem Alter taucht vieles von dem, was wir früher erlebt haben, plötzlich wieder auf. Mir ist es auch so ergangen, als ich an meinen Memoiren schrieb. Da wurden Erinnerungen an Ereignisse und Menschen wieder lebendig – sogar Gefühle! – die 50 und mehr Jahre zurückliegen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Guten unseres Anfangs. Manchmal muss man einen Meter tief graben, um es wiederzufinden. Manchmal reicht ein Meter nicht, auch nicht zwei Meter, und manchmal reicht selbst ein Leben nicht mehr.

Deshalb bete ich dieses Gebet: “Stärke mit deiner Liebe das Gute, das in jedem Menschen ist.“ Denn die Liebe ist in der Lage, das vergrabene, vergessene, verdrängte Gute wieder zum Vorschein und zum Leben zu bringen – bei jedem Menschen! Wer, wenn nicht Gott, kann das bewirken! Man muss nur realistisch bleiben. Den einzigen Frieden, den wir in der grossen Welt finden können, das ist der Friede in unserer kleinen Welt, mit unseren Liebsten und letztlich mit uns selbst. Und realistisch bleiben heisst nicht, dass man nicht träumen kann von einer heilen, guten und friedlichen Welt, wie sie hoffentlich möglichst viele Kinder wenigstens am Anfang ihres Lebens erfahren dürfen.

Pfr. Franz Sabo