Zurück zur Übersicht

Wo der Wolf beim Lamm wohnt… (Sonntag, 22. Dezember 2019, 4. Advent)

Veröffentlicht vor mehr als 4 Jahren, 23. Dez. 2019

Die Jungen mögen es mir verzeihen, aber lassen Sie mich ein bisschen über das Alter und das Älterwerden philosophieren, versehen mit einem Schuss Nostalgie: Als ich noch jung war – so fängt das ja meistens an – bin ich in 4 ½ Stunden mit dem Auto von Nürnberg nach Hamburg gebrettert. Damals ohne Stau und ohne schlechtes Gewissen. Heute bräuchte ich vermutlich – alle Staus miteingerechnet – einen ganzen Tag, und das mit ziemlich schlechtem Gewissen. Fliegen soll man aber auch nicht mehr – wegen der Umwelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine lange Fahrt mit dem Zug allerdings sehr stressig werden könnte, ist recht hoch. Verspätungen, Streiks und überfüllte Züge. Nicht einmal die erste Klasse scheint Greta Thunberg davor bewahrt zu haben mit all ihrem Gepäck auf dem Boden im ICE zu hocken. Ob es stimmt?! Jedenfalls hat sie ein Foto gepostet. Aber dass einem so etwas passieren kann, habe ich selbst auch schon erlebt.

Damals – als ich noch jung war – sind die Menschen noch ziemlich gerade durch die Welt spaziert. Heute laufen sie bucklig herum – wegen dem Handy. Sie laufen nicht nur gebückt, sie stehen gebückt an der Tram-Haltestelle und sitzen gebückt im Tram. Jeden Tag verbringen sie mehrere Stunden bucklig. Wie werden all diese Leute wohl in 20 oder 30 Jahren herumlaufen, und wie wird es ihrem Rücken gehen? Ich werde es kaum mehr erleben. Und ehrlich gesagt, ich bin nicht traurig darum.

Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der nur noch selbstfahrende Autos den Strassenverkehr dominieren. Das macht doch überhaupt keinen Spass mehr! Ich möchte nicht in einer Welt leben, in welcher Roboter die Kinder wickeln und später in den Kindergarten bringen, wo ein anderer Roboter mit ihnen spielt. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der eine Maschine die Alten und Kranken füttert. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der für jede wiederkäuende Kuh eine CO2-Abgabe entrichtet werden muss. Andererseits möchte ich natürlich auch nicht in einer Welt leben, in der es nicht mehr schneit und wir Weihnachten bei +18 Grad feiern. Und ich möchte auch nicht in einem Land leben, das nur von Frauen regiert wird, als Rache für die Jahrhunderte lange Vorherrschaft der Männer. Dann braucht es wieder ein Gleichstellungsbüro, diesmal für Männer. Das kann es ja wohl auch nicht sein.

Natürlich habe ich jetzt da und dort ein bisschen übertrieben. Da und dort aber vielleicht nicht! Aber eben, ich will es gar nicht so genau wissen. Das Schöne ist, dass es immer noch Rückzugsmöglichkeiten gibt. Man muss sich nicht von früh bis spät am Handy festhalten, man kann zwischendurch auch mal einen Freund oder eine Freundin umarmen. Man muss sich nicht am verkaufsoffenen Sonntag nach Basel in die Freie Strasse begeben, um von der Menge halb erdrückt zu werden. Man muss weder sich noch seine Wohnung vollautomatisieren. Man muss nicht! 

Mittlerweile bin ich überzeugt, dass es sich um einen ganz natürlichen Prozess handelt, wenn man mit zunehmendem Alter mehr Abstand gewinnt von all dem, was da um uns herum geschieht. Man geht mehr und mehr auf Distanz zu dieser Welt, und jene Welt, die Jesaja prophezeit, rückt näher. Jene Welt, in welcher vielleicht nicht nur metaphorisch der Wolf beim Lamm wohnt und der Panther beim Böcklein liegt. Wo Kalb und Löwe zusammen weiden und ein kleiner Knabe sie hüten kann. Wo sich Kuh und Bärin anfreunden und ihre Jungen beieinander liegen. Wo man nichts mehr Böses tut und keine Verbrechen begeht. Und natürlich ein Land ohne selbstfahrende Autos und ohne Roboter, die uns sagen, wo`s lang geht.